Ist Kunst wirklich eine attraktive Anlageform?

Kunst als Investment klingt verführerisch stabile Renditen, geringe Korrelation zum Aktienmarkt, emotionale Dividende. Doch bei genauer Betrachtung entpuppen sich viele dieser Versprechen als Illusion, wie Gerd Kommer aufzeigt.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Die Entwicklung der heutigen Finanzbranche dürfte in der Bronzezeit vor rund 3000 Jahren begonnen haben. Seitdem versuchen jeden Tag irgendwo auf der Welt Finanzvertriebler den Rest der Menschheit davon zu überzeugen, man habe «ein neues, besonders attraktives Investment» gefunden, in das man unbedingt investieren müsste. In diese Kategorie fällt seit jüngster Zeit Kunst als Investment.

In den vertriebsbezogenen Publikationen solcher Firmen werden insbesondere die folgenden Argumente angeführt:

  • Kunstinvestments produzieren attraktive Renditen, die die Langfristrenditen von Aktien übersteigen.
  • Kunstinvestments haben eine hohe Wertstabilitä Ihre Rendite schwankt weniger als die des Aktienmarktes. Kunstpreise sind während einiger schwerer Einbrüche des globalen Aktienmarktes in den vergangenen 30 Jahren oftmals nicht gefallen oder sogar gestiegen.
  • Kunst weist eine niedrige Korrelation mit dem Aktienmarkt und anderen etablierten Anlageklassen auf. Daher funktioniert Kunst gut als Diversifizierer für Aktien und Anleihen.
  • Zwar ist Kunst – ähnlich wie Immobilien – eine sehr illiquide Anlageform, aber gerade diese Illiquidität ist als Illiquiditätsprämie ursächlich für die guten Renditen von Kunst.
  • Kunst liefert eine «emotionale Dividende», die traditionelle Investments nicht bieten.

Die Realität von Kunst aus Investmentsicht

Leider sehen die Fakten weniger rosig aus. Im Vergleich zu den Anlageklassen Aktien, Anleihen, Immobilien, Edelmetalle und Rohstoffe existieren nur wenig wissenschaftliche Untersuchungen zur langfristigen Rendite-Risiko-Kombination von Kunst. Grund dafür ist unter anderem ein Mangel an verlässlichen historischen Daten.

Dieser Mangel hindert allerdings viele Kunstmakler und Anbieter von Kunstinvestments nicht daran in ihrem Marketingmaterial fragwürdig hohe Renditezahlen zu Kunst und historische Renditevergleiche zwischen Kunst und Aktien zu publizieren, in denen die Aktienrenditen «merkwürdig» niedrig sind.

«Aus der Sicht von Wissenschaftlern stellt Gemäldekunst bestenfalls eine mittelmässig attraktive Anlageklasse dar.»

Trotz des Mangels an Qualitätsdaten zu den langfristigen Renditen der Anlageklasse Kunst hat eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten nützliche empirische Studien zu Rendite und Risiko von Kunst publiziert – am häufigsten zu Gemäldekunst. Der Konsens in diesen wissenschaftlichen Analysen ist recht klar und er sieht folgendermassen aus:

Die Rendite der Anlageklasse Gemäldekunst liegt deutlich unterhalb derjenigen der Anlageklasse Aktien. Die geringen Wertschwankungen in Kunstindizes sind das Resultat der Konstruktion dieser Indizes und spiegeln nicht das Risiko von individuellen Direktinvestments in Kunst wider.

Aus der Sicht von Wissenschaft stellt also Gemäldekunst bestenfalls eine mittelmässig attraktive Anlagekasse dar und auch nur dann, wenn der Investor in eine hinreichend grosse Stichprobe von Gemälden im gehobenen Preissegment investieren kann.

Schräge, nicht nachvollziehbar hohe Renditeangaben für Kunst und zu niedrige Vergleichsrenditen für Aktien sind bei der Recherche für diesen Artikel auf einer Reihe von Web-Seiten von Kunstmaklern und in deren Marketing-Material aufgefallen.

Weitere Weckrufe beim Investieren in Kunst

Aber damit endet die Ernüchterung zu den im Vergleich mit Aktien vermeintlich attraktiven Renditen von Gemäldekunst noch nicht. Unabhängig von der reinen Renditefrage wirft das praktische Umsetzen von Investieren in Kunst noch eine Vielzahl anderer Hürden auf, die im Marketing-Material der Kunstmakler nicht erwähnt werden.

«Kein Kunstindex bildet den zugrundeliegenden Markt wirklich repräsentativ und damit objektiv ab.»

Zunächst einmal kann man in einen Kunstindex, anders als in einen Index auf Aktien, Anleihen, Edelmetalle, Kryptoanlagen oder Rohstoffe nicht investieren. Das ist insofern von Bedeutung als das das durchschnittliche einzelne Kunstwerk eine dramatisch höhere Wertschwankungsvolatilität aufweist als ein Kunstindex, der über Hunderte von Künstlern und Tausende von Kunstwerken hinweg diversifiziert ist. Wer von einem Kunstindex auf die wahrscheinliche Preisvolatilität seines einzelnen Kunstwerks schliesst, begeht damit einen schweren Irrtum.

Kein Kunstindex bildet den zugrundeliegenden Markt wirklich repräsentativ und damit objektiv ab. Beispielsweise berücksichtigen die meisten Kunstindizes nur Auktionsverkäufe, nicht jedoch private Verkäufe über Makler oder maklerlose Transaktionen zwischen zwei Anlegern. Auktionsverkäufe machen nur eine Minderheit aller Transaktionen aus.

Innerhalb der Gemäldekunst war zeitgenössische Kunst in den letzten rund 25 Jahren rentabler als Kunst früherer Epochen. Das konnte aber vor 25 Jahren niemand wissen. Welcher Typus von Gemäldekunst in den nächsten 25 Jahren die besten Renditen haben wird, lässt sich vermutlich nicht aus der Vergangenheit ableiten. Wer Kunstrenditen darstellt und nur Indizes für "zeitgenössische Gemäldekunst" zeigt, ohne Hinweis auf die deutlich schlechteren Renditen anderer Epochen und Stilrichtungen, handelt unlauter.

Ein individuelles Kunstwerk ist in der Regel hochgradig illiquide, typischerweise noch illiquider als eine Wohnimmobilie. Deswegen wird es ohne merklichen Preisnachlas selten kurzfristig zum geschätzten Marktpreis veräusserbar sein.

Wer wirtschaftlich erfolgreich in Kunst investieren will, muss spezifischen Kunstsachverstand haben, um die Angemessenheit von Angebotspreisen beurteilen zu können, um Manipulationen bei der so genannten Provenance (der dokumentierte Herkunftsnachweis eines Kunstwerkes) zu erkennen. Derartige Probleme und Risiken existieren bei börsennotierten Kapitalmarktanlagen kaum oder gar nicht.

Ein intransparenter Markt ohne Aufsichtsbehörde

Kunst ist ein unregulierter Markt. Deswegen und weil er aufgrund seiner ganz eigenen Merkmale hochgradig intransparent ist, kann in diesem Markt jeder alles behaupten und publizieren und genau das geschieht auch. Nicht nur ist der Kunstmarkt unreguliert, er ist auch sehr klein.

«Nicht nur ist der Kunstmarkt unreguliert, er ist auch sehr klein.»

Das globale Transaktionsvolumen im Kunstmarkt beträgt nur etwa 70 Milliarden Dollar pro Jahr. Das sind 0,06 Prozent des Transaktionsvolumens des globalen Aktienmarktes (sogar exklusive der Märkte für Anleihen, Devisen, Rohstoffe, Edelmetalle, Derivate).

Kurz und gut: Wer nennenswerte Geldsummen für Kunst ausgibt oder ausgeben will, sollte das in erster Linie aus reinem Kunstgenuss, aus intrinsischer Motivation tun, nicht in der wohl wenig verlässlichen Hoffnung, mit diesen Ausgaben eine nachhaltig attraktive Rendite-Risikokombination zu erzielen.


Gerd Kommer ist Gründer und Geschäftsführer von Gerd Kommer Invest und Gerd Kommer Capital sowie Autor der Souverän-investieren-Buchreihe. Der vorliegende Beitrag ist eine gekürzte Fassung von Kommers Blogbeitrags.