«Bewilligungsprozesse in der Schweiz gehen fast schon beschämend lange»
Die Schweiz punktet bei Fintechs mit Innovationskraft und Stabilität – doch laut Michael Barskyi, dem Schweiz-Chef von S-Pro und Fintech-Experte, verspielt der Finanzplatz zunehmend seinen Vorsprung. Im Interview kritisiert er träge Bewilligungsprozesse, fehlende Talentstrategien und warnt: «Die Schweiz darf sich nicht wie eine lahme Ente verhalten, wenn sie ihre Führungsrolle im Blockchain-Bereich behalten will.»
Herr Barskyi, ist die Schweiz immer noch ein attraktiver Standort für Fintech-Unternehmen?
Ich glaube, die Schweiz befindet sich im Allgemeinen in einer besseren Position als die meisten europäischen Länder. Ich würde behaupten: als die meisten Länder weltweit.
Weshalb?
Die Schweiz ist ein sicherer Hafen, das ist der zentrale Punkt. Daneben ist die Schweiz eines der innovativsten Ländern weltweit, dies ist gerade in der Finanzbranche wichtig, wo wir den grossen Generationenwechsel von den Babyboomern und der Generation X hin zu den Millennials, der Generation Z sowie Alpha miterleben. Das wird grosse Auswirkungen auf die Fintechs haben.
Die Ansprüche verändern sich – oder?
Richtig, die neue Generation ist viel anspruchsvoller. Auch in der Schweiz, obwohl man eigentlich nie der Ansicht war, die Leute hierzulande seien nicht anspruchsvoll. Aber der Wandel lässt sich feststellen.
Das wird auch Einfluss auf die Lösungen im Fintech-Bereich haben. Ein Beispiel für ein Unternehmen und einen Kunden von S-PRO, der sich mit diesen sich entwickelnden Erwartungen auseinandersetzt, ist oneBanking – eine All-in-One-Finanz-App, die traditionelle Bankgeschäfte, Kryptowährungen, KI-gestütztes Finanzcoaching und ein Belohnungssystem in einer einzigen Plattform vereint.
«Blockchain wird der Antrieb für viele Veränderungen sein.»
Durch die Integration von KI zur proaktiven Beratung und die Verwendung von gamifizierten Belohnungssystemen veranschaulicht oneBanking, wie die Finanztechnologie der nächsten Generation mit der Nachfrage der Generation Z nach intelligenteren, einfacheren und transparenteren Finanzdienstleistungen in Einklang steht.
Welche Faktoren werden den grössten Einfluss haben?
Blockchain wird der Antrieb für viele Veränderungen sein. In der Schweiz ist man diesbezüglich auch von Regulierungsseite offen für solche Veränderungen, auch wenn die Zusammenarbeit zwischen Regulierungsbehörden und Fintechs besser sein könnte bzw. müsste.
Wie meinen Sie dies?
Die Bewilligungsprozesse gehen viel zu lange. Das ist beschämend. Es schadet dem Ansehen des Finanzplatzes Schweiz. Zudem vergibt man sich eine grosse Chance.
«Wir haben in der Schweiz gute Universitäten und Fachhochschulen, aber wir wissen nicht, wie wir mit Talenten umgehen sollen.»
Und wie ist die Situation bezüglich Talente?
Die Schweiz ist ein kleines Land. Da ist die Auswahl verständlicherweise nicht riesig. Aber das Potenzial ist immer noch gross: Die Studierenden erhalten eine ausgezeichnete Ausbildung. Ich bedauere, dass es keine Programme für ausländische Studenten gibt, die diese motivieren oder es ihnen ermöglichen würden, in der Schweiz zu bleiben. Das bedeutet: Wir haben in der Schweiz gute Universitäten und Fachhochschulen, aber wir wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen, wenn die Ausländer ihr Studium beendet haben. Das ist schon fast sträflich.
Die Schweiz verfügt über zahlreiche Blockchain-Anbieter. Doch andere Länder holen auf. Drohen wir den Anschluss zu verpassen?
Lassen Sie mich es so formulieren: Ohne die Schweiz wäre in diesem Bereich nichts passiert. Die Schweiz hat auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet. Aber wir sollten uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Die Golf-Region holt im Bereich Blockchain mächtig auf. China spielt schon seit längerer Zeit in einer eigenen Liga. Die Schweiz kommt mir da manchmal wie eine lahme Ente vor. Seine führende Position zu verteidigen ist viel anspruchsvoller, als dorthin zu gelangen.
Alle reden seit einiger Zeit von der «Customer Journey». Besser geworden sind die Systeme und digitalen Anwendungen deswegen nicht. Woran liegt das?
Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung, und viele Anbieter tun sich auch noch schwer mit den Veränderungen. Dank KI ist bald der Einsatz von geschulten Agenten möglich, die Kunden nicht nur zuhören, sondern sie auch aktiv auf für sie zugeschnittene Opportunitäten aufmerksam machen. Beispielsweise weisen sie die Kunden darauf hin, dass sie über viele Abos von Streaming-Anbietern verfügen oder wo sie interessante Kombi-Angebote finden.
Michael Barskyi ist Länderchef Schweiz von S-Pro, einem Unternehmen, das Digitallösungen und IT-Beratung anbietet, insbesondere für Unternehmen aus der Finanzbranche.