Nachhaltige Anlagen bleiben trotz allem ein Wachstumsmarkt

Sustainable Finance ist aus verschiedenen Gründen weniger en vogue als auch schon. Doch nun belegt eine Studie, dass das Segment gleichwohl ein Wachstumsmarkt bleibt. Sabine Döbeli, die seit über einem Vierteljahrhundert die Branche hierzulande mitprägt, erklärt, weshalb die nachhaltig verwalteten Vermögen zugenommen haben und weshalb es eine gute Sache ist, dass das Thema auch bei alternativen Anlagen wichtiger wird.

Es ist fast der perfekte Sturm, in dem sich die Branche befindet, die sich dem Sustainable Finance verschrieben hat, also dem Investieren gemäss ökologischen, sozialen und unternehmensführungsbezogenen Kriterien (ESG). Ein Teil des Ungemachs ist zumindest teilweise selbstverschuldet, etliche Finanzinstitute hatten mit ihren Produkten mehr versprochen, als sie halten konnten, Stichwort Greenwashing.

Lange hat die Branche auch die immer feingliedrige Nachhaltigkeitsregulierung als Zeichen ihrer wachsenden Bedeutung zumindest prinzipiell begrüsst – nun hat sogar die EU erkannt, dass sie sich mit Lieferkettengesetz, Vorgaben zu nachhaltigen Anlagen und Bestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung einen internationalen Wettbewerbsnachteil eingehandelt hat, und will Gegensteuer geben.

Balsam auf die Wunden

Dazu kommt der globale Gegenwind aus den USA, wo der neuen Regierung insbesondere die Programme von Unternehmen zur Förderung der Vielfalt (Diversity, Equity, Inclusion), die bis vor kurzem als Ausdruck einer besonders ausgeprägten Nachhaltigkeitskultur im Mitarbeiterbereich galten, ein Dorn im Auge sind. Finanzinstitute und Banken werben auch in Interviews deutlich weniger offensiv mit ESG-Argumenten, als dies noch vor wenigen Monaten der Fall war.

In dieser Gemengelage sind positive Meldungen – wie die am Montag von Swiss Sustainable Finance (SSF) publizierte «Schweizer Marktstudie Nachhaltige Anlagen 2025» – Balsam auf die Wunden. Gemäss der 90-seitigen Studie (die bereits seit acht Jahren erstellt wird und entsprechend in der Branche als Referenz gilt) ist das Gesamtvolumen nachhaltigkeitsbezogener Investitionen in der Schweiz per 31. Dezember 2024 auf 1'881 Milliarden Franken gewachsen – was einem stolzen Plus von 13 Prozent gegenüber Vorjahr entspricht. Das steht in einem gewissen Kontrast zu den immer wieder gehörten Klagen aus der Branche, wonach die Anziehungskraft von nachhaltigen Anlagen (und damit der Neugeldzufluss) stark gelitten hat.

Sabine Döbeli, CEO von SFF, nimmt im Gespräch mit finews.ch Stellung zu den Ergebnissen.

Frau Döbeli, gemäss Ihrer Studie haben die nachhaltig angelegten Gelder in der Schweiz 2024 stark zugelegt. Hat Sie dieses Ergebnis angesichts des für dieses Segment aktuell doch ziemlich garstigen Umfelds überrascht? Worauf führen Sie den Zuwachs zurück?

Für uns war immer klar, dass nachhaltigkeitsbezogene Anlagen zum Standard werden. Auch wenn es in den Vorjahren gewisse Rückschläge gab, sind die aktuellen Wachstumszahlen Ausdruck dieses langfristigen Trends. Haupttreiber dafür sind Schweizer Retailbanken, die nachhaltige Fonds zum Standardangebot gemacht haben, sowie institutionelle Kunden – insbesondere Pensionskassen, die immer mehr Mandate mit Nachhaltigkeitskriterien vergeben.

Welche Definition verwenden Sie für nachhaltige Geldanlagen? Reicht dafür eine einfache Ausschlussliste?

Die Studie umfasst alle nachhaltigkeitsbezogenen Anlagen, die mindestens einen der definierten nachhaltigen Anlageansätze verwenden. Nur gerade 7 Prozent aller Anlagen verwenden bloss einen Ansatz, wie z.B. Ausschlusskriterien. 93 Prozent aller Anlagen kombinieren mehrere Ansätze, 83 Prozent sogar drei oder mehr. Nur Anlagen, die mehr als bloss ESG-Integration oder Ausschlusskriterien anwenden, werden als «nachhaltige Anlagen» bezeichnet.

Wie viel des Zuwachses in 2024 ist auf die Performance zurückzuführen, wie viel auf Neugeld?

Von den 13 Prozent Wachstum sind rund 8 Prozentpunkte auf Performanceeffekte zurückzuführen und 5 Prozentpunkte auf Zuflüsse in nachhaltige Anlagen. Der Gesamtmarkt ist in der gleichen Periode um 11 Prozent gewachsen – womit nachhaltige Assets um zwei Prozentpunkte höher lagen.

Sie haben für Ihre Studie 83 institutionelle Anleger, Asset Manager und Banken befragt. Wie repräsentativ ist das für den Schweizer Markt? 

Die 83 Teilnehmer der Befragung repräsentieren die grössten und wichtigsten Finanzinstitute und Anleger der Schweiz. Wir decken damit deutlich über 90 Prozent der verwalteten Vermögen in der Schweiz ab, womit die Studie repräsentativ ist.

«Bei Führungsteams, die Nachhaltigkeit erst in jüngster Zeit – quasi opportunistisch unter Druck des Marktes – eingeführt haben, sehen wir eher eine Abkehr.»

Bei den institutionellen Investoren wird der Grundsatzentscheid, sich in nachhaltigen Anlagen zu engagieren, gemäss Studie in drei Vierteln der Fälle vom Topmanagement vorgegeben. Gibt es Anzeichen, dass ESG für dieses an Bedeutung verloren hat oder verliert?

Wir sehen ein gemischtes Bild: Organisationen, die Nachhaltigkeit schon lange zu einem inhärenten Teil ihrer Strategie gemacht haben, zeigen keine Abkehr vom Thema. Bei Führungsteams, die das Thema erst in jüngster Zeit – quasi opportunistisch unter Druck des Marktes – eingeführt haben, sehen wir eher eine Abkehr.

Ein Befund Ihrer Studie lautet, dass auch bei alternativen Anlagen vermehrt auf Nachhaltigkeit geachtet wird. Sind solche Anlagen aus ESG-Sicht nicht per se problematischer als kotierte Instrumente, Stichwort fehlende Transparenz und schwache Governance?

Ganz und gar nicht: Bei privaten Assets können Investoren mehr Einfluss nehmen und die Strategie stärker beeinflussen. Das ist positiv zu werten. Neu zur Verfügung gestelltes Kapital ermöglicht es diesen Unternehmen zudem, innovative Produkte, die zur Lösung von Nachhaltigkeitsthemen beitragen, an den Markt zu bringen. Impact Investments können gerade in privaten Märkten eine stärkere Wirkung entfalten.


Sabine Döbeli arbeitet bereits seit über 25 Jahren im Bereich der nachhaltigen Finanzanlagen. Seit der Gründung von SSF im Jahr 2014 leitet sie die Vereinigung als CEO. Döbeli war vorher Head of Corporate Sustainability Management bei Vontobel und hatte auch bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) das Nachhaltigkeitsresearch als Teil der Finanzanalyse aufgebaut. Sie war bei der ZKB zudem an der Lancierung verschiedener nachhaltiger Anlageprodukte beteiligt. Die in Zürich domizilierte SSF (mit Vertretung in Genf) zählt über 250 Mitglieder und Netzwerkpartner, darunter Banken, Vermögensverwalter, institutionelle Anleger sowie Research- und Bildungsanbieter. Ziel der Organisation ist es, den Schweizer Finanzplatz im Bereich Sustainable Finance auf einem Spitzenplatz zu positionieren und damit den Übergang zu einer nachhaltigen und prosperierenden Wirtschaft zu unterstützen.