Im Bann der Coins: So tickt der Krypto-Chef von Postfinance

Seit letztem Jahr hat ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung via Banking-App Zugang zu Bitcoin & Co. finews.ch hat den Mann getroffen, der dies ermöglicht hat: Alexander Thoma, Head of Digital Assets bei Postfinance, erklärt, wie das Publikum auf die Angebote reagiert, dass Ripple plötzlich beliebter ist als Ethereum, wie Postfinance mit Staking neue Massstäbe setzt – und weshalb das alles erst der Anfang ist. 

Noch vor kurzem hätte man eher nicht vermutet, dass im Postfinance Tower am Stadtrand von Bern ein Herz für Kryptowährungen schlägt. Und doch: Seit etwa eineinhalb Jahren bietet das systemrelevante Finanzinstitut seinen Kunden – also rund einem Drittel der Schweizer Bevölkerung – Zugang zu Bitcoin, Ethereum und weiteren Kryptowährungen.

Für die Etablierung dieses Angebots namens «Crypto by Postfinance» ist Alexander Thoma verantwortlich. finews.ch trifft den Ökonomen mit Doktortitel von der Universität Zürich zum Gespräch in seiner Wirkungsstätte. 

Ausgezeichnet mit dem AssetAward

Wenn man mit Thoma über Kryptowährungen spricht, dann spürt man sofort: Hier spricht einer, der für sein Thema brennt.

Für die Erweiterung des Krypto-Angebots um Staking wurde Alexander Thoma kürzlich mit dem AssetAward 2025 in der Kategorie «Digital Assets» ausgezeichnet, den finews.ch in Zusammenarbeit mit dem AssetRush ausgerichtet hat. 


Herr Thoma, herzlichen Glückwunsch zum Asset Award. Was hat Ihnen die Auszeichnung persönlich bedeutet?

Der ganze Anlass war wirklich cool. Ich habe viele bekannte Gesichter gesehen – einigen davon war ich seit Jahren nicht mehr über den Weg gelaufen. Besonders gefallen hat mir, dass der Award im Rahmen eines Public Voting vergeben wurde. Das war für mich neu und hat sich authentisch angefühlt. Auch der Apéro war gelungen, die Stimmung locker und professionell zugleich. Für mich persönlich war es ein Highlight – der Award steht übrigens bei mir zu Hause.

Gab es auch berufliche Folgen?

Durchaus. Schon am Event – und verstärkt danach – wurde ich oft angesprochen, ob es bei uns Job-Opportunitäten gibt. Das Thema Digital Assets wirkt offenbar als Magnet: Viele Banker und Finanzintermediäre interessieren sich für das Feld. Auch auf Linkedin habe ich Anfragen erhalten. Allgemein zeigt sich, dass das Thema auch im HR-Branding ausgesprochen gut funktioniert – wir erhalten deutlich mehr qualitativ starke Bewerbungen, seit wir im Kryptobereich aktiv sind.

«Rund 56 Prozent der Krypto-Kundinnen und -Kunden haben zuvor noch nie ein Anlageprodukt bei uns genutzt.»

Wie gross ist Ihr Team?

Wir sind zu siebt. Unser Fokus liegt nicht nur auf Investments in Krypto-Assets, sondern auf dem gesamten Ökosystem: Wir sind etwa am BIZ-Projekt «Agora» beteiligt, bei dem es um Blockchain-basierte grenzüberschreitende Zahlungen geht, oder am Buchgeld-Token-Projekt der Bankiervereinigung. Für uns gehören auch solche Use Cases zu den Digital Assets – wir verstehen das Feld sehr breit.

Diese Offenheit entspricht auch der Philosophie der Asset Awards: Es geht nicht nur um Bitcoin & Co., sondern um Erweiterungen des Anlageuniversums.

Absolut. Für mich stellt sich die Frage, ob Digital Assets eine eigene Anlageklasse darstellen oder innerhalb der Alternatives einzuordnen sind. Ich tendiere zu Ersterem – es ist einfach etwas anderes als Aktien, Obligationen oder Rohstoffe. Und der Asset Rush zeigt sehr schön, wie stark dieses Thema inzwischen geworden ist – auch dank Plattformen wie Gentwo.

Wie kam das Thema Krypto bei Postfinance überhaupt auf?

Die Initialzündung kam bereits 2013 aus unserer Innovationsabteilung. Damals war Blockchain vor allem als potenziell disruptive Technologie im Zahlungsverkehr interessant – und als einer der grössten Player in diesem Bereich mussten wir uns damit auseinandersetzen. Ich kam 2020 dazu und habe das Thema in die operative Bank hineingetragen. 

Bei anderen Banken, die neuerdings Kryptowährungen anbieten, waren Abflüsse in Richtung Kryptobörsen mit ein Auslöser. Bei Ihnen auch?

Es war nicht die primäre Ursache. Uns ging es darum, technologisch am Puls der Zeit zu bleiben – und nicht wie Kodak oder Nokia abgehängt zu werden. Mit dem Angebot bauen wir Knowhow in der Organisation auf – denn das Custody von Ethereum ist technologisch nicht weit entfernt vom Custody eines digitalen Frankens. Es geht also um Zukunftsfähigkeit. Die Abflüsse, die wir natürlich auch untersucht haben, waren für uns eher das zeitliche Signal, «Crypto by Postfinance» anfangs 2024 zu lancieren.

«Wir wollen in der Schweiz zu einem der führenden Anbieter im Bereich Digital Asset Banking werden.»

Wie sieht das konkrete Offering aus?

Wir bieten aktuell 16 Krypto-Währungen an, darunter Bitcoin, Ethereum und Ripple. Unsere Kundinnen und Kunden können diese kaufen, verkaufen und auch in Sparpläne einbinden. Alles ist vollständig ins E-Banking integriert – inklusive Steuerauszug. Besonders stolz sind wir auf unser Staking-Angebot für Ethereum: Wir ermöglichen natives Staking mit Kleinstbeträgen, ohne dass man selbst 32 ETH halten muss.

Welche Zielgruppe spricht das Angebot an?

Querbeet. Wir haben alles von 18 bis 93 Jahren. Zürich und Bern sind unsere stärksten Kantone. Rund 56 Prozent der Krypto-Kundinnen und -Kunden haben zuvor noch nie ein Anlageprodukt bei uns genutzt – für viele ist es der Einstieg ins Investieren überhaupt.

Das überrascht – über die Hälfte?

Ja, 56 Prozent. Für uns ist das eine spannende Chance: Diese Kunden werden älter, bauen Vermögen auf – und wir können sie dann auch für klassische Angebote gewinnen. Das ergibt dann schöne Cross-Selling-Opportunitäten.

Was sagen Sie zur Handelsaktivität?

Bis Ende letzten Jahres hatten wir rund 220’000 Trades verarbeitet. Anfang 2025 kamen dann nochmals rund 40’000 pro Monat dazu. Alles läuft automatisiert – manuell wäre das für uns nicht machbar. Wir haben keine Private-Banking-Strukturen, sondern ein hochperformantes Retail-Modell mit vielen kleinen Tickets.

Welche Kryptowährungen sind bei den Postfinance-Kunden am beliebtesten?

Die meisten gehandelten Coins nach Handelsvolumen sind 35 Prozent Bitcoin, 23 Prozent Ripple und 11 Prozent Ethereum. Ripple hat gegen Ende Jahr Ethereum überholt. Bei der Anzahl Trades sind es 26 Prozent Bitcoin, 19 Prozent Ripple und 14 Prozent Ethereum. Ethereum hat mehr Trades, aber ein geringeres Volumen als Ripple. Das ist einigermassen deckungsgleich mit dem, was man bei anderen Banken auch sieht.

«Wir bieten das Produkt an, beraten aber nicht dazu.»

Wie hoch ist der Anteil an Postfinance-Kunden, die das Krypto-Angebot nutzen?

Im tiefen einstelligen Prozentbereich – aber innerhalb unseres Anlagebereichs ist das Thema inzwischen sehr bedeutend geworden.

Was planen Sie als Nächstes?

Ein zentrales Thema ist die Ein- und Auslieferungsfunktion: Kundinnen und Kunden sollen ihre Coins von privaten Wallets zu uns transferieren können – und umgekehrt. Diese Funktion wird Anfang 2026 live gehen. Zusätzlich wollen wir das Coin-Universum leicht erweitern und Staking auf weitere Coins ausbauen. Es werden aber sicherlich nicht hunderte Coins werden.

Die technische Infrastruktur betreiben Sie gemeinsam mit Sygnum?

Ja. Sygnum agiert als Broker und Partner im Hintergrund – alle Kundenbeziehungen und Frontend-Prozesse laufen über uns. Die Zusammenarbeit hat uns geholfen, sehr schnell marktfähig zu sein.

Wie sind Sie persönlich zum Thema gekommen?

2017 habe ich mit Studienfreunden ein Startup im Crypto Valley gegründet – wir haben uns früh mit Tokenisierung beschäftigt. Es gab damals noch keine Ausbildungen, wir haben alles selbst ausprobiert und gelernt. Man hat einfach einmal ein bisschen investiert und gehofft, nicht alles zu verlieren. 2020 war das Startup abgeschlossen – und genau zu diesem Zeitpunkt suchte Postfinance jemanden für den Bereich. Ich war bereits im Austausch mit ihnen, und so kam es zur Zusammenarbeit.

Heute sind Sie Head of Digital Assets bei einer systemrelevanten Bank. Wo soll es noch hingehen?

Unsere Ambition ist klar: Wir wollen in der Schweiz zu einem der führenden Anbieter im Bereich Digital Asset Banking werden. Wir sind Early Mover – und sehen grosses Potenzial. Bis 2030 möchten wir diese Position festigen.

Und wie widerstandsfähig ist das Geschäft, wenn die Kurse wieder fallen?

Im Retail-Bereich ist die Volatilität stark spürbar – sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten. Unsere Handelsvolumen korrelieren zu etwa 0,85 mit dem Bitcoin-Gesamtmarkt. Das zeigt, wie stark unsere Kunden auf die Marktstimmung reagieren. Deshalb bleiben wir beim Execution-Only-Modell – wir bieten das Produkt an, beraten aber nicht dazu.

«Wir erhalten deutlich mehr qualitativ starke Bewerbungen, seit wir im Kryptobereich aktiv sind.»

Wird das Angebot aktiv beworben?

Wir bewerben das Produkt «Crypto by Postfinance» an sich – aber wir sagen nicht: «Jetzt Bitcoin kaufen!» Und mehr wäre regulatorisch auch gar nicht erlaubt. Wir informieren über das Angebot, aber der Entscheid liegt ganz beim Kunden.

Wie beurteilen Sie das regulatorische Umfeld?

Die Schweiz war früh dran, mit einer Mantelverordnung, die einstimmig vom Parlament verabschiedet wurde – das gibt es sonst kaum. Das hat uns geholfen, sehr progressiv mit dem Thema umzugehen. In den USA hingegen merkt man jetzt erst, wie der Wind sich dreht – auch grosse Banken beginnen sich zu öffnen. Die Dynamik bleibt spannend.


Alexander Thoma ist Head of Digital Assets bei Postfinance. Der promovierte Finanzökonom und Chartered Digital Asset Analyst bringt Erfahrung aus dem Crypto Valley mit – als Mitgründer des Blockchain-Startups Alethena. Seit 2020 treibt er bei Postfinance die Entwicklung digitaler Anlageprodukte voran.