Beat Bühlmann: «Es wird eng für die Banken»

Der finpension-Gründer über 900 Millionen Neugeld, Ambitionen auf eine Banklizenz, Private Equity ab einem Franken – und warum klassische Banken in Bedrängnis geraten.

Herr Bühlmann, finpension hat erstmals einen Geschäftsbericht veröffentlicht (finews.ch berichtete) – mit einem Neugeldzufluss von 900 Millionen Franken. Ein Rekord?

Ja, 2024 war ein starkes Jahr. Der Neugeldzufluss, die verwalteten Vermögen, der Gewinn – alles ist gewachsen. Besonders beeindruckend war der Neugeldzufluss von fast einer Milliarde Franken im Jahr 2024. Verglichen mit Banken mittlerer Grösse zeigt sich: Da passiert etwas. Digitale Anbieter wie wir haben eine gewisse Anlaufzeit gebraucht, aber jetzt kommt Schwung rein.

Sie kommen aus dem Bereich der gebundenen Vorsorge – entwickeln das Angebot aber weiter?

Genau. Unsere Wurzeln liegen im B2B-Bereich, insbesondere bei den 1e-Kaderlösungen. Von dort stammt bis heute ein Grossteil der Erträge. Aber wir haben das sukzessive erweitert: Freizügigkeit, Säule 3a, neu auch die ungebundene Vermögensverwaltung. Unser Anspruch ist es, uns breiter aufzustellen. Aber die Vorsorge wird sicher noch einige Jahre das Herzstück bleiben.

Wie verteilen sich die verwalteten Gelder zwischen B2B und B2C?

Heute sind rund zwei Drittel im B2C-Bereich – also Freizügigkeit, Säule 3a und Vermögensverwaltung – und ein Drittel im B2B. Zu Beginn war das umgekehrt, da hatten wir nur eine 1e-Lösung. Das Wachstum sehen wir nun vor allem auf der B2C-Seite. Deshalb legen wir auch kommunikativ einen stärkeren Fokus auf den B2C-Bereich.

«Gerade bei Hypotheken sehen wir viel Potenzial. Die Banken verdienen gut an der Zinsdifferenz – und sind dabei oft weder digital noch günstig. Wir glauben, dass wir es besser machen können.»

In der Vermögensverwaltung verzeichnen Sie bisher kaum Ertrag.

Wir sind ja auch erst letztes Jahr gestartet – und 2025 verzichten wir bewusst auf Gebühren, um möglichst viele Kunden zu gewinnen. Bis Ende Jahr peilen wir 10'000 bis 15'000 Kundinnen und Kunden an. Danach kommt das Wachstum schrittweise – durch regelmässiges Sparen. Wir sehen in diesem Bereich das grösste Potenzial, weil man damit im Prinzip jedermann ansprechen kann.

Was macht finpension in diesem Bereich anders als andere digitale Anbieter und Banken?

Viele setzen auf ETF-Sparpläne. Aber da ist der Kunde weitgehend auf sich allein gestellt. Wir bieten eine Strategie, kein Einzelprodukt – und lösen alles drum herum: Risikoprofil, ETF-Selektion, Diversifikation, Rebalancing, Reporting. Wir bieten quasi ETF-Sparpläne 2.0. Der Kunde bekommt ein Gesamtpaket mit klarer Kostenstruktur. Das alles gibt es bei den Banken auch – aber erst ab einem gewissen Vermögen und nicht zu 0,5 Prozent. Dort bezahlt man locker 1,5 Prozent im Jahr. Gleichzeitig fehlt ihnen die digitale, transparente Lösung. Insofern bieten wir eigentlich mehr – und das zu einem Drittel des Preises. Vor allem die jüngere Generation hat ein Bewusstsein dafür entwickelt und vergleicht die Angebote. Diese Generation wird in 20 Jahren kein intransparentes Banking mit hohen Gebühren akzeptieren. Die Daseinsberechtigung gewisser Bankdienstleistungen wird damit über die Zeit infrage gestellt.

Das ist eine Ansage.

Wer so digital aufwächst, fragt sich: Warum soll ich für schlechtere Leistung mehr bezahlen? Es wird langfristig eng für einen für Banken heute noch sehr lukrativen Teil des klassischen Bankgeschäfts.

«Lohnbestandteile über derzeit 136'080 Franken können in der zweiten Säule individualisiert werden.»

Sie bieten auch Zugang zu Private Equity – ab einem Franken. Wie geht das?

Wir bündeln die Gelder im Hintergrund, treten als qualifizierter Anleger auf und ermöglichen über unsere Vermögensverwaltung so auch Kleinanlegern Zugang zu institutionellen Produkten. Bei uns gibt es keine Mindestbeträge – man kann mit einem Franken starten. Und wir geben die vorteilhaften Konditionen, die wir als Institutioneller erhalten, direkt an die Kunden weiter. Voraussetzung für eine Investition in Privatmarktanlagen ist allerdings, dass man eine sehr hohe Risikofähigkeit aufweist und Privatmarktanlagen versteht.

Über welche Fonds läuft das?

Aktuell über zwei: einen von Partners Group, einen von Schroders. Beide in der institutionellen Tranche. Wir führen die Konten selbst, handeln Fraktionen und machen diese Anlageklassen unseren Kunden zugänglich.

Warum ist das nicht auch in der Vorsorge möglich?

Weil Vorsorgevermögen jederzeit liquidierbar sein muss. Wenn jemand die Vorsorgeeinrichtung wechselt, müssen wir innert 30 Tagen auszahlen können. Das geht bei Private Markets nicht – da sind die Gelder längerfristig gebunden.

Zurück zu den 1e-Kaderplänen: Wie funktioniert das Modell?

Lohnbestandteile über derzeit 136'080 Franken können in der zweiten Säule individualisiert werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen wie gewohnt ein, aber der Versicherte wählt seine Anlagestrategie selbst. Es gibt keine Umverteilung, kein kollektives Anlagerisiko – es ist das eigene Geld auf einem persönlichen Konto. Bei der Pensionierung erfolgt dann die Auszahlung des vorhandenen Altersguthaben in Form eines Kapitalbezugs.

«Mit Private Equity kann man bei uns ab einem Franken starten.»

Wie viele Strategien stehen zur Auswahl?

Maximal zehn, gesetzlich vorgegeben. Eine davon muss risikoarm sein. Die übrigen kann die Firma festlegen. In der Praxis arbeiten die meisten mit fünf bis sechs Strategien – meist abgestuft nach Aktienquote.

Ist das 1e-Modell heute etabliert?

Noch nicht flächendeckend. Es ist ein vergleichsweise junges Modell – 2017 wurde die rechtliche Grundlage entscheidend verbessert. Firmen, die damit arbeiten, können sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Bei angelsächsisch geprägten Firmen ist das Modell stärker verbreitet.

Sie waren damals früh dran?

Ja. 2015 habe ich mit den Vorbereitungen begonnen, weil sich die Gesetzesänderung abzeichnete. Als sie kam, waren wir startklar. Das hat uns einen Vorsprung verschafft – gerade gegenüber den grossen Versicherungskonzernen und Banken, die nicht so schnell reagieren konnten.

«Bis Ende Jahr peilen wir 10'000 bis 15'000 Kundinnen und Kunden in der Vermögensverwaltung an.»

Wie viele Leute arbeiten heute bei finpension?

Rund 25. Ein klassisches Sales-Team haben wir nicht. Unsere Kundenberater decken Beratung und Vertrieb ab. Im 1e-Geschäft kommen viele Anfragen über Broker oder Ausschreibungen.

Wer definiert die Anlagestrategien – etwa im Freizügigkeitsbereich?

Wir arbeiten mit standardisierten Templates, orientiert am Weltmarkt – im freien Vermögen mit globaler Market-Cap-Allokation, in der Vorsorge stärker auf Schweizer Anlagen fokussiert mit einem sogenannten Home-Bias. Wir nehmen keine eigene Marktsicht.

Welche Depotbanken nutzen Sie?

Wir haben ein Multi-Custody-Modell. Für Swisscanto-Produkte arbeiten wir mit der ZKB, für UBS-Produkte mit der UBS und auch direkt bei der SIX haben wir kürzlich eine Depotbeziehung eröffnet. Bestimmte Produkte müssen aufgrund von Anlegerkreisbeschränkungen direkt beim Produktanbieter gehalten werden – etwa wenn nur Pensionskassen investieren dürfen.

Sie haben angekündigt, eine eigene Banklizenz anzustreben. Was steckt dahinter?

Heute bieten wir Vorsorge- und Anlagelösungen. Aber wirklich spannend wird es, wenn wir auch Kontoführung und Hypotheken integrieren können. Dann lässt sich alles aus einer Hand anbieten – Vorsorge, freies Vermögen, Finanzierung. Gerade bei Hypotheken sehen wir viel Potenzial. Die Banken verdienen gut an der Zinsdifferenz – und sind dabei oft weder digital noch günstig. Wir glauben, dass wir es besser machen können.


Beat Bühlmann ist Gründer und Verwaltungsratspräsident von finpension. Vor der Gründung war er bei einer Privatbank und einem Hedge Fund tätig. Er hat Betriebswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft Luzern sowie an der Universität Salamanca studiert. Bühlmann ist CFA- und CAIA-Charterholder.